In der Familientherapie ist es eine große Herausforderung, Kinder in der Form in die Hilfe einzubinden, dass sie adäquat gehört und gesehen werden und sich als Teil der Hilfe begreifen. Oft werden deshalb die Systeme getrennt und Angebote für Kinder parallel zur Arbeit mit den Eltern durchgeführt. Für manche Themen ist diese Trennung wichtig, vor allem wenn es beispielsweise um strittige Elternebenen, verdeckte Paarkonflikte geht und/ oder die Grenze zwischen der Erwachsenen- und Kind-Ebene verwischt ist. Dann müssen die Eltern wieder lernen, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren bzw. ihren Job als Eltern/ Elternteil auszufüllen.
Kinderorientierte Familientherapie (KOF) eignet sich zur systemischen Diagnostik, d.h. dafür, ein Verständnis zu entwickeln, welche Schwierigkeiten und welche Ressourcen sich beim Kind selbst und auch in der Interaktion zwischen Eltern/ Elternteil und Kind zeigen. Familiäre Muster zeigen sich im Spielgeschehen. Über die Aktion, das Spiel werden Kinder dort abgeholt, wo sie gut erreichbar sind, und können ihre Sichtweise, ihr Erleben und ihre Befindlichkeit deutlich machen.
KOF eignet sich als Methode neben der Entwicklung eines Verständnisses über das familiäre Geschehen darüber hinaus für die Erarbeitung von Veränderungsprozessen der familiären Interaktion. Eltern erhalten über das Spiel und die Reflektion der Spielsequenzen Einblicke in „sowohl das Innenleben aller Beteiligten als auch ihre Interaktionsmuster“. Reiners (2019, S.18/19) In der Nachbetrachtung können im Gespräch mit den Eltern Lösungsideen bzw. Veränderungsmöglichkeiten erarbeitet werden, die im folgenden gemeinsamen Spiel ausprobiert werden können.
Die Therapeut*in übernimmt im Spiel mit einer Alter-Ego-Figur verschiedene Rollen. Sie fungiert in gewisser Weise als Spielleiter ohne die Handlung vorzugeben. Sie gibt Anregungen, stellt Fragen, kommentiert Verhalten. Die Alter-Ego-Figur wechselt zwischen Aktivität und Rückzug. Sie fördert das Zusammenspiel, hilft Handlung zu schaffen und beendet, wenn notwendig, übergriffiges Verhalten.
Die Spielsequenzen werden aufgezeichnet und mit den Eltern ohne Beisein des Kindes/ der Kinder besprochen. In der Nachbesprechung sollen die Eltern ihr eigenes Handeln reflektieren bzw. dazu angeregt werden, Parallelen zum Familienalltag zu ziehen. Ziel der KOF ist hierbei die Steigerung des Selbstwirksamkeitserlebens, das heißt die „Wieder“-erlangung von Handlungsoptionen. Durch besseres Verständnis von Verhaltensweisen des Kindes, d.h. das sich Hineinversetzen in das kindliche Erleben und die Erlangung erweiterter Sichtweisen auf Bedingungen, die zur Entstehung von Symptomen beim Kind beitragen, kann es den Eltern gelingen, ihrem Kind bei seinen Entwicklungsaufgaben hilfreicher zu begegnen. Gemeinsam mit den Eltern können Ziele erarbeitet und Handlungsoptionen können im geschützten Rahmen im Spiel ausprobiert und entwickelt werden.
Zielgruppe
KOF ist geeignet für Familien mit Kindern im Spielalter zwischen etwa 3 bis 12 Jahren.
Problemkonstellationen, bei denen der Einsatz von KOF insbesondere geeignet ist:
- Tempo- und Aktivitätsunterschiede zwischen Eltern und Kind, zum Beispiel:
- Schüchterne, ängstliche, zurückhaltende Kinder
- Kinder, die aggressive Verhaltensweisen zeigen
- Hyperaktive Kinder
- Kontaktprobleme,
- Konzentrationsprobleme, AD(H)S
- Diagnostik der familiären Beziehungen
- Anbahnung von Pflegefamilien, Rückführung in die Herkunftsfamilie (Bindung aktivieren und stabilisieren), Umgangsanbahnung
- Fragen nach Erziehungsfähigkeit
- bei Beziehungs- und Bindungsstörungen
- Wenn Kinder Verhaltensweisen zeigen, die für Eltern nicht nachvollziehbar sind (Einnässen oder Einkoten, aggressive Ausbrüche, Schlafstörungen, Essstörungen)
Setting
Spiel mit Kind im Beisein der Eltern – Nachbetrachtung der Videoaufzeichnung gemeinsam mit den Eltern und Erarbeitung erster Hypothesen.
Spiel zwischen Eltern und Kind mit Alter-Ego des/der Therapeut*in – Nachbetrachtung der Videoaufzeichnung gemeinsam mit den Eltern und Erarbeitung weiterer Hypothesen plus Erarbeitung von Zielen für die KOF
Mehrere Spiele zwischen Eltern und Kind mit Alter-Ego des/der Therapeut*in mit der Möglichkeit neue Verhaltensweisen auszuprobieren – Nachbetrachtung der Videoaufzeichnungen gemeinsam mit den Eltern und Reflexion
Transfer in den Alltag und Reflexionsgespräche mit den Eltern zur Integration der Veränderungen in den Alltag.
Leistungen
- KOF als diagnostisches Werkzeug
- KOF als methodisches Werkzeug im Rahmen einer systemischer Beratung, einer Familientherapie, eines begleiteten Umgangs oder einer qualifizierten Rückführung
- Sandkasten plus therapeutisches Spielmaterial
- Technische Ausstattung für die Aufzeichnung und Nachbetrachtung